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Hannelore Placzek
1950: Motorradunfall
Muttis Jugendliebe kommt am 1. Mai 1950 bei einem Motorradunfall in Fürth ums Leben. Details zu ihrer Beziehung und und Fotos sind in einem Fototagebuch und in ihrem ersten Tagebuch erhalten, das am 16.2.1946 beginnt (in Geheimschrift!) und am Montag, den 1. Mai mit den Worten endet: „Die Aufzeichnungen dieses Tagebuchs beginnen und enden mit Eberhard. Die schönsten Jahre meines Lebens sind mit seinem Tod zu Ende. Durch einen blinden Zufall, der eines Tages in Fürth einen Passanten falsch über die Straße gehen ließ, ist mein Leben in ganz andere Bahnen gelenkt worden. Nicht auszudenken was gekommen wäre und was nun kommen wird.“ Zumindest hätte es meinen Bruder und mich nicht gegeben. Einen Zeitungsausschnitt über den Unfallhergang habe ich hinter das obige Bild geklemmt gefunden.
1953: Der Briefwechsel mit Louis Fischer
Meine Mutter war in den frühen Fünfzigern in einen jungen, amerikanischen Schriftsteller verliebt, Louis Fischer. Ihm hat sie im Laufe der Jahre, beginnend mit dem 17. Juli 1953 bis in das Jahr 1966 viele Briefe geschrieben (der letzte Brief datiert vom 12. Juni 1966), die abgesehen von ihren persönlichen Dingen auch Zeugnis über die Zeitgeschichte ablegt: der durch Wolfgang Harich (in den sie übrigens verliebt war, ehe sie meinen Vater traf) angezettelte Prozess gegen Walter Janka und seine Freunde, die vorgeblich demokratischen Wahlen in der damaligen DDR, die Ermordung Kennedys, die Flucht in den Westen (sie schreibt darüber in einem Brief vom 22.11.58 an Louis , im Mai des gleichen Jahres floh unser Vater in die Bundesrepublik) und der Verlust der von ihr so geliebten Metropole Berlin. Das Besondere an diesen Briefen ist, dass meine Tochter Sophie sie im Online-Katalog der Universitätsbibliothek der Princeton Universität entdeckt und dann bestellt hat. Ich habe die Kollektion geringfügig editiert, einen praktisch unleserlichen Brief neu abgetippt und hier hinterlegt.
1954: Wolfgang Harich
In einem Brief an Louis Fischer vom 20. Juni 1954 schreibt unsere Mutter über die Tatsache, dass sie sich in Wolfgang Harich verliebt hat (und vice versa, wie man auf der Rückseite des Fotos sieht). Im gleichen Briefwechsel finden sich auch noch weitere Informationen aus diesen Jahren, z.B. über den nachfolgenden Prozess um Janka und Harich und wie schnell sie dann doch Harich aufgegeben hat und (so scheint es) sehr schnell 1956 unseren Vater geheiratet hat.
1959: Flug PAA605
Endgültiger Abschied von (Ost)Berlin mit dem Flug 605 der Pan American World Airways von Berlin nach Hamburg: Als sich unser Vater am 30 April 1958 aus Ostberlin absetzt, schreibt er noch einen fingierten Abschiedsbrief an seine Familie. Die Hintergründe beschreibt unsere Mutter sehr schön in einem Brief vom 22.11.58 an Louis Fischer (der komplette Briefwechsel hier). Mutter fliegt dann mit mir am 20. August 1959 mit dem o.g. Flug ebenfalls nach Hamburg, wo unser Vater bereits eine Stelle bei Rowohlt angenommen hatte. Die Flugtickets findet man hier.
1970: Die wahrscheinlich schwierigsten Jahre
Dieses Bild (in der Steinhalde aufgenommen) steht in keinem gesichertem zeitlichem Zusammenhang mit dem Brief an Rena, der Muttis wohl schwerste Zeit in beispielhafter Art und Weise schildert: wie Vati über Jahre hinweg eine Freundin hatte und die beiden versucht haben, den Schein zu bewahren und ihre Kinder - also meinen Bruder in mich - in einer vermeintlich heilen Welt zu belassen. Es ist ihnen nicht geglückt - ich meine, es vor uns zu verbergen - obwohl sie Jahre später wieder zusammen gefunden haben.