Herbert Placzek
Die Trauerrede
Franz Kafka: Das nächste Dorf
Mein Großvater pflegte zu sagen: "Das Leben ist erstaunlich kurz. Jetzt in der Erinnerung drängt es sich mir so zusammen, daß ich zum Beispiel kaum begreife, wie ein junger Mensch sich entschließen kann ins nächste Dorf zu reiten, ohne zu fürchten, daß - von unglücklichen Zufällen ganz abgesehen - schon die Zeit des gewöhnlichen, glücklich ablaufenden Lebens für einen solchen Ritt bei weitem nicht hinreicht."
Herr Placzek hat gelebt von 1928 bis 1991.
Jedem von uns hier war er Begleiter in einem bestimmten Abschnitt seines Lebens. Am vergangenen Mittwoch ist er am Ende seines Weges angekommen.
In unseren Gedanken und Gesprächen bleibt er weiter bei uns.
Er ist bei uns, wenn wir in einer romanischen Kirche verweilen. Seine Liebe zur Literatur, zu Cervantes, Musil, Kafka läßt ihn bei uns sein, wenn wir ein Buch in die Hand nehmen und lesen.
Beim Klang bestimmter Musik ist er in unseren Gedanken.
In der Erinnerung behalten wir sein ausgeprägtes politisches Bewußtsein, seine Freude am politischen Kabarett.
Seine Geradlinigkeit, seine Art von Humor, von Ironie bleibt in unserer Erinnerung. Seine Art neugierig zu sein mündete in viele Spanien-Reisen, auch Reisen in fernere Länder. Die Freude über das dort gesehene zeigt sich in wunderschönen Fotografien. Sein großes Interesse für jüdische Religion, Kultur und Geschichte war seine Art mit der eigenen Geschichte umzugehen.
Sie nehmen Abschied von ihm hier als Ehemann, Vater, Bruder, Schwager, Großvater, Schwiegervater, Freund und Nachbar.
Als Freunde und Geschäftspartner hatten er und ich einen Abschnitt in unseren Leben gemeinsam. In diesem Abschnitt war er mir nah und Vorbild.
Franz Kafka: Die Bäume
Denn wir sind wie Baumstämme im Schnee. Scheinbar liegen sie glatt auf, und mit kleinem Anstoß sollte man sie wegschieben können. Nein, das kann man nicht, denn sie sind fest mit dem Boden verbunden. Aber sieh, sogar das ist nur scheinbar.
1991: Der Trauerredner Herr Bader
Der Partner der Buchhandlung zum Wetzstein, Thomas Bader, hat die hier abgedruckte Grabrede bei der Beerdigung unseres Vaters 1991 gehalten. Thomas Bader ist inzwischen selber im Jahr 2014 gestorben (am 25.3.2014). In der Badischen Zeitung vom 26. März 2014 findet man einen Nachruf.